Ich bekomme häufig die Frage, was Grad der Ausnutzung (GZT bzw. GZG) bedeutet.
GZT steht für „Gebrauchstauglichkeitsnachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit“ und GZG für „Gebrauchstauglichkeitsnachweis im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit“. Diese Begriffe sind zentral, wenn es darum geht, die Sicherheit und Funktionalität eines Tragwerks zu bewerten. Sie sind Teil der rechnerischen Nachweise, die nach DIN EN 1990 und den zugehörigen Normen durchgeführt werden müssen.
GZT (Grenzzustand der Tragfähigkeit)
Im GZT wird geprüft, ob die Konstruktion unter extremen Lasten noch tragfähig bleibt. Man will also sicherstellen, dass das Bauteil unter keinen Umständen versagt, was im schlimmsten Fall zum Einsturz des gesamten Gebäudes führen könnte. Für einen Sparren im Holzbau bedeutet das konkret, dass die maximale Biegemomentenkapazität, die Schubfestigkeit und gegebenenfalls die Torsionssteifigkeit nicht überschritten werden.
GZG (Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit)
Im GZG wird hingegen überprüft, ob die Konstruktion unter alltäglichen Bedingungen nutzbar ist, ohne dass es zu unzumutbaren Verformungen oder Schwingungen kommt. Man könnte sagen, dass es hier mehr um den Komfort als um die reine Sicherheit geht. Im Fall eines Sparrens würde man also prüfen, ob dieser sich unter der Last der Dachdeckung und der Schneelast nicht übermäßig durchbiegt.
Gibt es EU-Normen für die Maximalverformung von Holz?
Holz ist ein lebendiges Material und reagiert auf Feuchtigkeit, Temperatur und andere Faktoren, was zu Verformungen führen kann. Die Normen in der EU, insbesondere die EN 1995 (Eurocode 5) für den Holzbau, berücksichtigen diese Eigenschaften und legen Richtwerte für die maximal zulässigen Verformungen fest. Diese sind oft als Bruchteil der Spannweite oder als absoluter Wert in Millimetern angegeben.
Der GZG-Wert, den du in der Tragwerksplanung ermittelst, ist also ein theoretischer Wert, der auf bestimmten Annahmen und Vereinfachungen basiert. Aber die Normen sind so konzipiert, dass sie einen Sicherheitspuffer einbauen. Die tatsächlichen Verformungen sollten also im Normalfall unter den berechneten Werten liegen, wenn du alle Faktoren wie Feuchteänderungen, Langzeitverhalten und so weiter korrekt berücksichtigt hast.
Dennoch ist der GZG-Wert natürlich nicht 100% „korrekt“ im Sinne von absolut zuverlässig, weil es immer Unwägbarkeiten gibt – das Material könnte zum Beispiel von schlechterer Qualität sein als angenommen oder die wirklichen Lasten könnten von den angenommenen abweichen. Aber die Normen sind so gestaltet, dass sie einen hohen Grad an Sicherheit bieten, auch wenn sie nicht jede einzelne Variable im Detail berücksichtigen können.
Also, um deine Frage zu beantworten: Ja, es gibt in den EU-Normen Richtwerte für die maximal zulässige Verformung von Holzelementen. Und obwohl der GZG-Wert auf theoretischen Berechnungen basiert, bietet er durch die in den Normen vorgeschriebenen Sicherheitszuschläge eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit.
Beispiel: Sparren im Holzbau
Angenommen, du hast einen Sparren aus KVH (Konstruktionsvollholz) mit einer Spannweite von 5 Metern und einem Querschnitt von 160 × 240 mm.
Im GZT würdest du die maximale Biegespannung unter einer extremen Lastkombination (Eigenlast, Nutzlast, Wind- und Schneelast usw.) berechnen und mit der zulässigen Biegespannung des Holzes vergleichen. Falls die berechnete Biegespannung kleiner als die zulässige ist, ist der Sparren im GZT sicher.
Im GZG würdest du die Durchbiegung unter einer typischen Lastkombination (meist nur Eigenlast und ständige Nutzlast) berechnen und mit einem zulässigen Wert vergleichen, der oft als Bruchteil der Spannweite definiert ist. Wenn die Durchbiegung unter diesem Wert liegt, ist der Sparren auch im GZG gebrauchstauglich.
So, durch die Berücksichtigung von GZT und GZG kannst du sicherstellen, dass dein Sparren (oder auch Pfette, Pfosten, Kehlbalken, Grat- und Kehlsparren ect.) nicht nur sicher ist, sondern auch den Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit genügt. Das ist gerade in der modernen Holzbauweise, wo Leichtigkeit und Effizienz großgeschrieben werden, von enormer Bedeutung.
Kann man GZG ignorieren, wenn GZT unter 100 % Auslastung bleibt?
„Ist es möglich, den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) zu ignorieren und stattdessen den Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) stärker zu berücksichtigen? Müssen beide Grenzzustände jeweils unter einer Auslastung von 100 % bleiben?“
Nein. 🙂
GZT und GZG sind zwei unterschiedliche Aspekte in der Tragwerksplanung und beide haben ihre eigene Bedeutung. Das Vernachlässigen eines dieser Aspekte ist in der Regel nicht ratsam und auch nicht konform mit den Bauvorschriften und Normen.
GZT
Der Fokus auf den Grenzzustand der Tragfähigkeit (GZT) allein würde sicherstellen, dass die Konstruktion nicht versagt oder einstürzt. Das ist natürlich das Mindeste, was man von einem Gebäude erwarten würde. Aber es sagt nichts darüber aus, wie gut die Konstruktion im Alltag nutzbar ist.
GZG
Wenn du den Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit (GZG) vernachlässigst, könnten Probleme wie übermäßige Durchbiegungen, Vibrationen oder Rissbildungen auftreten, die die Nutzbarkeit und Lebensdauer der Konstruktion beeinträchtigen könnten. Bei einem Dachsparren könnte das bedeuten, dass das Dach zwar nicht einstürzt, aber vielleicht so durchhängt, dass Wasser sich staut oder die Dachziegel verrutschen.
Prozentuale Ausnutzung
Die Frage der prozentualen Ausnutzung ist interessant. In der Regel werden die zulässigen Kapazitäten in beiden Grenzzuständen separat betrachtet. Das heißt, dass sowohl im GZT als auch im GZG die Ausnutzung 100 % nicht überschreiten sollte. Wenn du also in der Tragwerksplanung für einen Sparren eine Ausnutzung von sagen wir 95 % im GZT und 80 % im GZG ermittelst, wäre das in Ordnung, solange beide Werte unter 100 % liegen.
Fazit
Beide Grenzzustände haben ihre eigenen Anforderungen und Kriterien, und beide müssen in der Tragwerksplanung berücksichtigt werden. Bei der Auslegung von Holzbauteilen, wie zum Beispiel einem Sparren, müssen beide Werte berücksichtigt werden, um eine optimale und sichere Lösung zu finden. Man kann nicht einfach den einen zugunsten des anderen vernachlässigen, ohne die Qualität und Sicherheit der gesamten Konstruktion zu riskieren.